Theater

Hinter den Kulissen

Der lange Weg zum neuen Stück  

Bevor sich der Vorhang das erste Mal hebt, liegt über ein Jahr Vorbereitung hinter den Mitarbeitern. Ein guter Stoff muss gefunden und von einem Autoren für das Marionettenspiel adaptiert werden. Anschließend erschaffen die Puppenbauer die Gestalt, Kopf und Kostüm der Puppe; das Bühnenbild wird nach den Vorgaben des Regisseurs gefertigt. Dabei müssen sich alle Beteiligten immer wieder absprechen und ihre Arbeit aufeinander abstimmen.

Sind alle Vorarbeiten geleistet, findet auf der Bühne eine erste Bauprobe statt. Hier kann noch einmal im Vorfeld geklärt werden, ob z.B. alle wichtigen Orte auch wirklich bespielbar sind, ob Bühnenbild und Figuren wie erwartet wirken.

Meist sind nur drei Tage Zeit für die Sprecher, die den hölzernen Kollegen ihre Stimme leihen sollen; ein Probenband entsteht, das natürlich später, während der eigentlichen Proben, immer wieder in Kleinigkeiten geändert werden muss.

Nun liegt es an den Puppenspielern, den Figuren jene Eigenheiten zu verleihen, die jeden Charakter einzigartig machen.

In der letzten Probewoche findet die Beleuchtungsprobe statt, die maßgeblich zum Gelingen der Aufführung beitragen wird, denn nur so kann – auch unterstützt durch die eigens komponierte Musik – nach Bedarf eine fröhliche oder düstere Atmosphäre geschaffen werden. Nun kann man nur noch hoffen, dass bei der Generalprobe ein paar Pannen passieren, schließlich gibt es dann, nach alter Theater-Weisheit, eine reibungslose Premiere.

Werkstätten der Augsburger Puppenkiste®

Eine schmale Holztreppe führt in den Kellerraum. Werkbank, Stühle, ein Tisch, Regale, eine Säge - mehr Mobiliar gibt es dort nicht. Über allem liegt eine feine Staubschicht. Winzige Holzspäne.

Vom Holzbalken zur Puppe

Lindenholz, das Material, aus dem die Helden derAugsburger Puppenkiste® geschnitzt sind. Alles beginnt hier mit einem rohen Holzbalken, den die TheaterfamilieMarschall im Großhandel kauft. Aus ein und demselben Material entstehen feineFrauengesichter und unwirsche Koboldsfratzen – je nach Bedarf.

„Die Züge einer Person aus einem Holzklotzherauszuarbeiten, das erfordert Menschenkenntnis“,sagte Jürgen Marschall einst. Der Spruch, man müsse vom Holz bloß allesweghauen, was nicht zum Gesicht gehört, ist eben leicht dahergesagt. Besondersanspruchsvoll wird die Arbeit, wenn es um Persönlichkeiten geht, die der Besucher wiedererkennen muss.

Der Körper der Puppen entsteht aus Holzstäben für die Beine, Pappkarton für die Hüfte und Stoffschläuchen für die Arme – am besten aus ausgewaschenen Leintüchern. Vom Schlafzimmer wandern die abgelegten Überzüge darum unversehens in die Werkstatt.

Die Stars in der Maske

Wichtig ist natürlich auch das „Make-up“ der Marionetten. Wer könnte sich den Räuber Hotzenplotz oder das Sams schon als holzblasse Hauptfiguren vorstellen? Also werden die Köpfe mit Ölfarben „geschminkt“. Die Augen der Figuren bestehen aus einfachen Schusternägeln, ein Trick, den schon Walter Oehmichen kannte – in den Nägeln spiegeln sich die Scheinwerfer besonders gut. 

Wie aus Puppen Marionetten werden

Jetzt fehlen nur noch zwei Dinge: Kleider und Fäden. Die kleinen Charaktere werden so angezogen, wie es das Stück erfordert: verspielt, zerlumpt, ganz fein - alles ist möglich. Was zählt ist, dass der Stoff weich ist.

Am Einfädeltisch in der Spitalgasse wird aus der Holzpuppe schließlich eine richtige Marionette.

Zehn Baumwollfäden - Schusterzwirn - hat eine „normale“ Figur. Je mehr die Puppe jedoch können soll, umso mehr Fäden und Hölzchen braucht ihr Spielkreuz.

Welten entstehen – Kulissenbau

Eigentlich bräuchte man an dieser Stelle einen kurzen Film à la »Sendung mit der Maus«: Wie kommen die Gummibärchen in die Tüte? Wie macht man aus Blech einen Esslöffel? Und in unserem Fall: Wie wird aus einer 10er-Holzplatte ein Kulissenteil für die Bühne der Puppenkiste?

Alles beginnt damit, dass sich ein Mensch den Kopf zerbricht, nicht wörtlich zu nehmen, es wird nichts kaputt gemacht, im Gegenteil – es entsteht etwas. Ein Text fürs Theater nämlich. Zum Beispiel ein Märchen, das von einem Autor so bearbeitet wird, dass es für Marionetten und ihre Spieler passend wird. Mit diesem Text geht der Autor zum Bühnenbildner – das ist jemand aus dem Ensemble der Puppenkiste, der kreativ ist und gut zeichnen kann. Jetzt muss der sich den Kopf zerbrechen. Weil die Menschen unterschiedlich sind, gehen die Bühnenbildner auch ganz unterschiedlich an die Sache heran:

Hans Kautzmann – er hat u.a. das Bühnenbild für „Das kleine Gespenst“ und „Das häßliche Entlein“ gestaltet – überlegt sich zunächst einmal, worauf er achten muss bei der Umsetzung:

Wieviele Puppen werden in einer Szene auftreten? Wieviel Platz brauchen die? Was muss alles passieren können? Dann macht er sich an die Arbeit und zeichnet Skizzen, die von Überarbeitung zu Überarbeitung feiner und ausgefeilter werden.

Andi Becker dagegen setzte für Rumpelstilzchen die Geschichte erst einmal Szene für Szene jeweils in ein Gemälde um – er machte sich ein Bild, im wahrsten Sinne des Wortes. Aus dem Gemälde wurde dann ein Modell gebaut: eine Bühne in ganz klein mit all den Bäumen, Häusern und Hügeln drauf, damit man sehen konnte, ob alles Platz hat.

Auf alle Fälle wird viel geredet: in erster Linie mit dem Autor, der meist dann auch der Regisseur ist, also derjenige, der entscheidet, was wer auf der Bühne macht und wie es gemacht werden soll (das sagt er dann nicht den Marionetten, sondern den Spielern, das hat meist mehr Sinn). Der Autor jedenfalls findet die Entwürfe gut oder hat Verbesserungsvorschläge.

Wenn alle zufrieden sind, „zerlegt“ der Bühnenbildner sein Bühnenbild in Einzelteile und zeichnet von jedem Teil einen richtigen Bauplan – mit Höhen- und Breitenangaben. Denn am Ende helfen mehrere Leute in der Werkstatt beim Sägen und Anmalen mit, und dafür braucht es genaue Anweisungen.

In der hauseigenen Schreinerei werden die Kulissen ausgesägt - wenn es einfache Flachkulissen sind – oder zusammengeleimt, -genagelt, gedrechselt, geschliffen, wenn es aufwändiger werden soll – wie zum Beispiel der hohle Baum in Rumpelstilzchen, der sich öffnen lässt. Manches lässt sich auch nicht aus Holz machen; dann brauchen die Leute in der Werkstatt eine gute Idee. Man kann Styropor nehmen und bearbeiten, wenn man es kaschiert – d.h. mit Leim und Stofffetzen umkleidet und damit haltbar macht. Draht kommt zum Einsatz, Seile, Gips, Schaumstoff. Manchmal arbeitet fast das gesamte Ensemble am Bühnenbild mit: Die Einzelteile werden geschliffen, grundiert und nach den Entwürfen bemalt. Dann ist das Bühnenbild fast fertig.

Man stellt es ins Theater, befestigt es mit Zwingen und Gewichten auf den Bühnenwägen und schaut sich an, ob es auch im Rampenlicht so wirkt wie es soll. Jetzt kann der Bühnenbildner aufatmen und dem Regisseur den Rest überlassen. Das Ganze hat Monate gedauert, und jetzt dauert es nochmals zumindest Wochen, bis die Zuschauer kommen können.